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Der Tod als „Ansporn im Leben“

Am Nürtinger Waldfriedhof fand am Sonntag der "Tag des Friedhofs" statt - Resonanz hätte besser sein können!

Der Tod als „Ansporn im Leben“

(Nürtinger Zeitung)

Am Nürtinger Waldfriedhof fand am Sonntag der "Tag des Friedhofs" statt - Resonanz hätte besser sein können

Wie gut Nürtingen beim Thema Bestattung und Abschiedskultur aufgestellt ist, davon konnte man sich am vergangenen Sonntag am Waldfriedhof überzeugen: An der bundesweiten Initiative "Tag das Friedhofs" beteiligte sich die Stadt Nürtingen nach 2010 nunmehr zum zweiten Mal.

NÜRTINGEN (pm). Mit im Boot waren mehrere Dienstleister wie Bestatter und Steinmetze sowie die Nürtinger Arbeitsgemeinschaft Hospiz, die an ihren Ständen über ihr Angebot informierten.

In der Aussegnungshalle fand an diesem Nachmittag das kulturelle Programm und zum Abschluss ein ökumenischer Gottesdienst statt. Mehr zufällig hatte sich hierbei als verbindende Klammer die Losung "Endlich leben!" in ihrer ganzen Doppeldeutigkeit ergeben: Bedeutet die Aufforderung doch sowohl eingedenk des eigenen Todes zu leben als auch anzufangen, wirklich und intensiv zu leben.

So war "Endlich leben" der Titel des Programms, das der Nürtinger Philosoph und freie Trauerredner Thomas Oser beisteuerte. Kurze philosophische und poetische Texte von Montaigne bis Thornton Wilder und von Goethe bis Kurt Marti zeigten zum einen, wie auf den Tod des anderen reagiert wird, wobei Einsichten in das Wesen der Erinnerung und der Liebe die wesentlichen Rollen spielten. Zum anderen beleuchtete Oser das (fehlende) Todesgedenken und das konkrete Sterben.

Die australische Querflötistin Amanda Chominsky und die japanische Choreografin Sawako Nunotani, die beide in Nürtingen leben, antworteten auf die vorgetragenen Texte musikalisch und tänzerisch. Einer der Höhepunkte war hierbei sicherlich das Stück "Mei" des japanischen Komponisten Kazuo Fukushima: Darin spricht sich eine Zerrissenheit aus, die Amanda Chominsky kraftvoll und fein zugleich intonierte und Sawako Nunotani in expressive und in sich gekehrte Bewegungen umsetzte. Unterstützt wurden die beiden dabei von der wunderbaren Akustik der Aussegnungshalle und ihrem wundersam schummrigen Licht.

Inhaltlich knüpfte Pfarrerin Barbara Brückner-Walter an Osers Programmtitel im abschließenden Gottesdienst an, den sie zusammen mit Pastoralreferent Marcel Holzbauer zelebrierte. Ihrer Predigt lag nämlich folgender Ausspruch der Theologin Claudia Janssen zugrunde: "Dem Tod nicht glauben - endlich leben".

Nicht nur hierbei, sondern auch in einem Gespräch über Abschieds- und Trauerkultur, das Andreas Warausch, Redakteur dieser Zeitung, moderierte, trat eine inhaltliche Differenz zwischen der Pfarrerin und dem freien Trauerredner hervor.

Während die Pfarrerin angesichts des Todes vor allem auf den Glauben an Gott und - mit dem Schweizer Dichter Kurt Marti - auf die Überwindung des Todes setzte, hielt es der Trauerredner mehr mit dem dänischen Philosophen und Christen Sören Kierkegaard. Dieser hatte gesagt, man solle nicht darüber nachdenken, was nach dem Tod komme, sondern vielmehr den Gedanken an den eigenen Tod zum "Ansporn im Leben" machen.

In dem Gespräch wurden aber auch viele Übereinstimmungen zwischen Brückner-Walter und Oser deutlich. So ist es beiden in ihrer Arbeit ein Anliegen, den aktuellen Erosionen in der Abschieds- und Trauerkultur entgegenzuwirken: Gegen den wachsenden Trend zu anonymen Bestattungen setzen die beiden auf persönlich gestaltete Trauerfeiern, in denen die Gefühlslage der Hinterbliebenen gespiegelt wird und das Leben des Verstorbenen ganz individuell zum Ausdruck kommt. Dies sei eine wichtige Station auf dem Weg des gelingenden Abschieds von einem geliebten Menschen.

Auch die Geschichte des Waldfriedhofs wurde beleuchtet

Zum musikalischen Programm trugen auch Angelika Rau-?ulo (Orgel und Klavier) und Harald Schneider am Saxofon bei: Sie begleiteten nicht nur den Gottesdienst musikalisch, sondern boten zwischendurch mit Titeln wie "Take five" auch Jazz und Blues.

Klaus Hauber schließlich beleuchtete in seinem Vortrag die Geschichte des Waldfriedhofes. Dabei erfuhr man so interessante Dinge, wie dass es zwölf Jahre dauerte vom Beginn des ersten Bauabschnitts im Jahr 1950 bis zur Fertigstellung des heute unter Denkmalschutz stehenden Friedhofs. Dabei spielten der Architekt Denis Boniver, der Landschaftsarchitekt Otto Valentien und der damalige Nürtinger Stadtbaurat Bisinger die tragenden Rollen. Klaus Hauber meinte abschließend, dass sich die Nürtinger ob ihres kunstvoll gestalteten Waldfriedhofs glücklich schätzen könnten.

Das Programm rundeten ein von zwei Bestattungshäusern angebotenes Kinderprogramm und die Führungen des Friedhofsverwalters Patrick Seitz ab. An den Ständen der Dienstleister war zum Teil Ungewöhnliches zu sehen - so zum Beispiel geflochtene Schmuckurnen und ein ausgehöhlter Baumstamm als Sarg.

Das Resümee für den "Tag des Friedhofs" fiel gemischt aus: Manche Dienstleister hätten sich mehr Resonanz gewünscht, andere zeigten sich sehr zufrieden damit. Heike Buchfink von der städtischen Friedhofsverwaltung, die die Veranstaltung federführend organisiert hatte, zeigte sich erfreut über das kulturelle Programm und wünschte sich für den nächsten Tag des Friedhofs etwas mehr Zuspruch von Seiten der Bürgerinnen und Bürger. Wann dieser stattfinden wird, ist noch offen.